über mich

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ergangenheit und Familie kann man nicht von sich abschütteln, in meinem Falle war dies eine glückliche Fügung für mein heutiges Handwerk. Mein Opa Josef war Schuhmacher, der einzige im Dorf, ein Dutzend Kilometer südlich von Freiburg, in dem ich aufgewachsen bin. In den Ferien oder nach der Schule habe ich oft bei ihm in der Werkstatt gesessen, bei seiner Arbeit zugeschaut und durfte hin und wieder auch ein Werkzeug reichen. Ich gebe zu: Die meiste Zeit habe ich bei meinem Opa verbracht, um die Zeit zu überbrücken, bis meine Oma Paula, eine gelernte Köchin beim Landadel von Holzing-Berstett, zum Mittagessen, Abendessen, zum Vesper, Kaffee und Kuchen oder sonstigen Zwischenmahlzeiten gerufen hat. Dennoch haben der virtuose Umgang mit den zahlreichen Werkzeugen und die Gerüche nach Leder, Kleber, Wachs und Lederfett mich beeindruckt. Genauso wie Opas Geschick beim Zuschneiden, Schärfen, Bugen der Lederstücke und Zwicken des Schaftleders auf den Leisten, das Nageln und Hämmern von Sohlen und Absatzflecken, das Surren der Nähmaschinen und der ohrenbetäubende Lärm der großen Schleif- und Poliermaschine. Außerdem konnte ich aufmerksam beobachten, wie die Dorfbewohner in die Werkstatt kamen und gingen mit ihren Geschichten und Gerüchten und ihren eigentlichen Anliegen: Schuhe, Taschen und Gürtel zu besohlen, zu nähen oder anderweitig zu reparieren. Bis nichts mehr zu machen war, außer etwas Neues zu fertigen. All diese visuellen, haptischen, olfaktorischen und akustischen Erinnerungen hatten sich mir wie ein Stempel eingeprägt, waren aber verschüttet gegangen. Und spät, erst viel später habe ich mich zurückbesonnen auf das Lederhandwerk. Und der Name Gerber? Den habe ich meinem Vater zu verdanken.